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Jirka Witschak: Mikroförderung für Mikroprojekte

Jirka Witschak bleibt dabei trotz Hausverbot - Mikroförderung für Mikroprojekte

(Tabulose Rundschau) Was haben wir nicht um die Förderung der Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange (LKS) gekämpft. Als der damalige schwarze Koalitionspartner Homosexuellenpolitik in Brandenburg für nicht nötig erachtete, war Handeln angesagt. Es war eine junge Potsdamer SPD – Stadtverordnete die in den weiten Fluren der SPD - Landtagsfraktion von Büro zu Büro tingelte. Ihr Ziel: Abgeordnete von der Notwendigkeit der Förderung schwuler und lesbischer Antidiskriminierungsarbeit überzeugen. Sie hat wohl gute Argumente gehabt. Fortan bekamen die Schwarzen in den Koalitions- und Haushaltsverhandlungen ihr Landespolizeiorchester und die Sozis ihre Landeskoordinierungsstelle. Politik kann manchmal ganz einfach sein.

Der Erhalt der LKS war bitter nötig. In den 90er Jahren brach fast die gesamte lesbische und schwule Struktur im Land zusammen. Das betraf vor allem die Regionen im ländlichen Raum. Die Vereine in Brandenburg an der Havel (Rainbow e.V.), Schwedt (Your Way e.V.) oder Senftenberg (BATUSI e.V.) hauchten ihr Leben aus. Auch Cottbus verlor zuerst die dortige Aidshilfe und dann den Verein Lebensart.

Daher war die Strategie der Landesregierung folgerichtig. Förderung des Homo - Landesverband AndersARTiG e.V. und seiner Projekte, hier insbesondere die LKS. Für alle Beteiligten verband sich damit die Hoffnung, den Weg zu einer diskriminierungsfreieren Gesellschaft beschreiten zu können. Denn Homosexuellenpolitik braucht den Dialog mit Gesellschaft, Politik und Kultur. Dabei kam es darauf an Lebenswelten von homosexuellen Menschen zu verbessern, Beratung zu organisieren, die Gesellschaft aufzuklären, und über queeres Leben zu informieren.

Stellt sich die Frage, ob die Erwartungen und Hoffnungen nach fast 15 Jahre LKS und dem sie betreibenden Landesverband AndersARTiG e.V. erfüllt wurden. Dabei spielen aus meiner Sicht einige zentrale Aspekte eine wesentliche Rolle. Diese heißen Beratung zu seelischer und sexueller Gesundheit, Gewaltprävention, Information für nicht – heterosexuelle Menschen und queere Kultur.

Tante Emma Laden nicht zeitgemäß

Wer sich unter diesen Aspekten den IST – Zustand in Brandenburg anschaut kann sehr schnell zu dem Schluss kommen, das das bisherige "Bewährte" überdacht werden sollte. Die Strategie eines - nennen wir es einmal salopp „Tante Emma – Ladens“ - der alles was queere Struktur benötigt feilbietet, wirkt nicht zeitgemäß. Denn wenn wir alle ehrlich zueinander sind, ist eine klare Analyse schwuler, lesbischer und transsexueller Arbeit in Brandenburg notwendig.

Netzwerke zur HIV/ Aids – Prävention werden verhindert. Ein Mediationsverfahren innerhalb der Initiative Brandenburg gemeinsam gegen Aids finden der Landesverband, die LKS und „befreundete“ personell mit einander verquickte Vereine nicht zielführend.

Wer sich die Beratungsangebote des Landesverbandes und der LKS anschaut könnte leicht beeindruckt sein. Lesben und Schwule – Die Beratung für jedermann und jederfrau – Transidentität  auch kein Problem. Ich drücke mich mal ganz vorsichtig an dieser Stelle aus – Die Erfahrungen in meiner Beratungstätigkeit sagen mir – Eine Evaluierung der Beratungsangebote in Brandenburg ist notwendig! Das bisherige Konzept zur Hilfe und Beratung für nichtheterosexuelle Menschen kann so nicht stehenbleiben!

Die Schaffung von Netzwerken zur Information über queeres Leben in Brandenburg versäumte die LKS trotz der Angebote verschiedener Community – Mitglieder seit Jahren. Von einem nennenswerten Newsletter für Lesben und Schwule oder gar einer weiterführenden Pressearbeit der LKS kann keine Rede sein. Ein Informationsportal wie Gaybrandenburg ist eben nicht durch die LKS erstellt worden. Networking über Internetplattformen ist aber Grundvoraussetzung für Vernetzung der verschiedenen Gruppen und Initiativen in Brandenburg. Nur so sind Gruppen wie UM – Queer oder der Stammtisch Queer an der Havel überhaupt sichtbar geworden.

Es fehlt der starke politische Rahmen. Vor kurzem sind aus der sogenannten „Initiative CSD Land Brandenburg“ auch noch die Parteien als Mitglieder, unter tatkräftiger Mithilfe der LKS, ihrer Stimme beraubt worden. Gesellschaftlicher Aufbruch sieht für mich anders aus.

Ich kenne kein Beispiel, in der die LKS in irgendeiner Weise kontinuierlich Geld in queere Innovation gepumpt hätte. Wie auch? Laut eigener Internetseite gibt es ja auch nichts weiter, als den Landesverband und deren eigenen Projekte. Die Möglichkeit durch Einwerbung von Drittmittel schwule und lesbische Vielfalt im Land zu befördern, scheint auch im 14. Jahr des Bestehens ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

Selbst ist die Frau - Mikroprojekte bringen Vielfalt

Beratungs- Informations- und Kulturprojekte haben Schwule und Lesben in Brandenburg höchst selbst, ohne Bevormundung aus Potsdam, in die Hand genommen. Das nennt man Hilfe zur Selbsthilfe.

Die eigenständige, unabhängige Entwicklung einer „Vor Ort“ - Struktur in den letzten vier Jahren, sieht man an Gruppen oder Vereinen wie UM – Queer, die Stammtische in Königs Wusterhausen und Brandenburg a. d. Havel oder der Aidshilfe Lausitz. Sie sind explizit ohne die Unterstützung des institutionellen Konstrukts LKS entstanden. Dieses wird, wenn man ehrlich ist, auch nicht mehr von den Gruppen gebraucht. Die Strukturen im Land bestehen im hohen Maße auf ihre Eigenständigkeit. Diese orientieren sich sowieso an kommunalen Strukturen. Um es deutlich zu sagen, eine zupackende und coole Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Potsdam bewirkt weit mehr für die CSD - Veranstaltungen der Landeshauptstadt, als die Hausverbot erteilende Gabriele Kerntopf.

Da entwickelt sich eben ganz nebenher eine eigene Beratungsstruktur zu HIV/Aids für die Hauptbetroffenengruppe der schwulen Männer. Die LKS kann bis heute keine ähnliche zielgruppespezifische Beratungsarbeit oder Partner die dieses übernehmen vorweisen. Es geht wohlgemerkt nicht um plakative Solidaritätsbekundungen mit HIV – Positiven, sondern um fachlich abgesicherte HIV/ Aids – Arbeit, die auf gleicher Augenhöhe mit den Betroffenen stattfindet.

Ich bin mir ganz sicher, dass die landesweite Jugendarbeit zukünftig neue Wege gehen wird. Unsere Erfahrungen zeigen, dass vieles möglich ist. Bei entsprechender Betreuung bleiben „Tuntenbingo“ oder „Echte Mädchen spielen Fußball“ keine Eintagsfliegen. Dabei kommen die Aktionen von den Jugendlichen selbst.
Über die oberlehrerhafte Strategie des „erhobenen Zeigefingers“ der institutionellen Meinungshoheiten, wie ich das auch in letzter Zeit immer wieder erlebt habe, macht sich die Generation L – Mag bzw. Queer as Folk eher lustig. Oder sie bleibt ganz weg, wie im Falle des Come In – Cafés des erwähnten Landesverbandes.

Es kommt darauf an den Samen in die richtige Windrichtung zu schmeißen. Kleinprojekte entstehen durch Engagement der Betroffenen. Die reden nicht lange über Strukturen, die machen das einfach. Das kann der Transistor - Stammtisch sein, die Schwule Filmnacht, der Queensday, der CSD Lausitz oder die Pflanzentauschbörse auf dem Hollerhof. In den letzten Jahren ist so eine ganz eigene Vielfalt entstanden.

Alles in allem sind wir hier bei des Pudels Kern. Wieso soll das Land weiterhin „Bewährtes“ fördern? In der Kombination von engagierten Leuten oder Initiativen mit ihren Mikroprojekten vor Ort macht das Land in seiner Gleichstellungspolitik weit mehr her, als der oben schon benannte „Tante Emma – Laden“.

Mit dem Umverteilen der Fördermittel auf "real existierende" Mikroprojekte wie Ausstellungen, Lesungen, queere Kulturprojekte, Aufklärungsprojekten oder Beratungs- und Hilfsprojekten könnte das Land einen neuen Schub in der Antidiskriminierungspolitik und zielgruppenspezifischer Angebote zur Information und Beratung initiieren. Dabei vergibt das Land einen „Vertrauenskredit“ an die Gruppen und Initiativen vor Ort und an kreative Projekte. Die hierfür benötigte Gesamtsumme die das Land investieren muß,  kommt sehr schnell auf die Höhe der bis zu Letzt an die LKS gezahlten Fördermittel. Schlussendlich ist die Rechnung ganz einfach. Eine Vielzahl von Mikroprojekten in der Fläche des Landes macht schwule und lesbische Lebensvielfalt sichtbarer. Diese Vielzahl von Mikroprojekten macht den Gedanken der Vielfalt und Akzeptanz von Lebensentwüfen erst wirksam und für heteronormative Mehrheit erlebbar.

Das mit dem Netzwerk kommt von alleine. Da tourt ein Chefredaktakteur einer deutschlandweit erscheinenden Szenezeitschrift durch ganz Brandenburg und Ostdeutschland und bringt ganz nebenbei Leute zusammen die gleiche Ziele verfolgen. Da gibt es einen Verein aus Berlin, der in Cottbus die Rainbowparty zusehends wieder auf Vordermann bringt und dabei mit allen zusammenarbeitet, die das wollen und können. Die Parteien kommunizieren untereinander ohne dass hier eine ICSDLB notwendig erscheint. Auch hier werden wir demnächst Ergebnisse bestaunen können.

Die LKS hat sich abgeschaltet. Ein altbackener und in die Jahre gekommener Konsum wird nicht dadurch attraktiver in dem man ein bisschen mehr Hackfleisch in die Theke legt.

Jirka Witschak hat eine Meinung.
Er ist Vorstand bei Katte e.V und stellvertretender Vorsitzender der SCHWUSOS Brandenburg. Er ist Mitbegründer des Landesverbandes AndersARTiG e.V. Er war dort bis 2003 Mitglied.

P.S. Auf Grund der Veröffentlichung des Entwurfes dieses Kommentares auf Gaybrandenburg habe ich durch Gabriele Kerntopf Hausverbot in der LKS bekommen. Auch das werde ich überleben.

P.S. Ursprünglich war die Überschrift des Kommentars:
Mikrokredite für Mikroprojekte. Das Wort Mikrokredit war an dem Programm des Internationalen Weltwährungsfonds angelehnt. Sie wissen schon - ganz Indien baut auf Mikrokredite. Das hat nicht jeder verstanden oder verstehen wollen. Ich habe die Überschrift geändert - allgemeinverständlich.

Die TabuLose ist der Meinungsmacher von Gaybrandenburg.

 

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