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Vorwärts und nicht vergessen…….
Die Haltung der Arbeiterbewegung und deren beider großen Parteien (SPD und KPD) zur Homosexualität und zum Paragrafen 175
Am 15.11.1902 schrieb der Vorwärts (die Zeitung der SPD) einen Artikel über Friedrich Alfred Krupp und seine Homosexualität, die er auf Capri auf seinen Besitzgütern ohne rechtliche Folgen ausüben konnte. Aufgedeckt wurde dieser „Skandal“ von der italienischen sozialistischen Zeitung „die Propaganda“. Der Artikel kritisiert auf der einen Seite den Paragraphen 175, auf der anderen Seite findet sie das Verhalten von Krupp als pervers und zeigt die Dekadenz der herrschenden Klasse auf.
Unter Einfluss des Eulenburg Skandals , bei dem hohe Vertraute des Kaisers wegen des Paragraphen 175 belastet wurden, sprach A. Bebel 1907 im Reichstag von der „Verseuchung ganzer Regimenter“ und fuhr weiter fort „ hier müsse endlich mit Eisen, mit glühenden Eisen, ausgebrannt werden“. A. Bebel unterschied in dieser Rede zwischen den guten Homosexuellen, also die so veranlagten und die schlechten Homosexuellen, die ihre Homosexualität erworben haben. Weiter wies A. Bebel auf unterschiedliche Anwendung des §175 im Bezug auf die soziale Herkunft der Angeklagten hin.
So waren August Bebel und andere Sozialdemokraten der Meinung, dass die erworbene Homosexualität eine Dekadenz des Kapitalismus sei, und hauptsächlich bei der Bourgeoisie vorkomme.
Auf der anderen Seite unterstützte A. Bebel 1898 als führender Sozialdemokrat eine von Magnus Hirschfeld eingereichte Petition. Er begründete das mit der ungleichen Behandlung der sexuellen Ausrichtung. Also über den legalen heterosexuelle Geschlechtsverkehr und den strafbaren homosexuellen Geschlechtsverkehr unter Männern.
Selbstverständlich gab es auch in der SPD andere Auffassungen. So zum Beispiel Reichstagsabgeordneter Thiel der in der Reichstagsdebatte über den Paragrafen 175 folgendes sagte: „Wir begreifen es vielleicht als nicht homosexuelle Beanlagte nicht, dassder Mann mit dem Mann in geschlechtlichen verkehr treten kann. Was würden wir aber wohl sagen, wenn die Homosexuellen in der Mehrheit wären und Gesetze machten und sagten: die heterosexuelle Betätigung des Geschlechtsleben ist etwas anormales“. Mit dieserfortschrittlichen Meinung befand sich Thiel in der SPD allerdings in einer Minderheit.
Die Haltung von KPD und SPD in der Weimarer Republik
In der Frage der Homosexualität war die SPD auch in der Weimarer Republik gespalten. In der Frage der Abschaffung des Paragraphen 175 hatte die SPD eine klare Haltung, und zwar für die Abschaffung dieses Paragraphen. So erzielten sie mit Hilfe der KPD im Jahre 1929 imRechtsausschuss bei der Reform des Strafgesetzbuches, dass der §296 , eine Verschärfung zum § 175 nicht eingeführt werden sollte, und nur der Paragraph 297 eingeführt werde, der nur die Sexualität unter Männern unter 21 Jahren unter Strafe stellen sollte. Leider konnten diese Änderungen nicht mehr durchgesetzt werden, da sich die Machtverhältnisse im Reichstag änderten, aber ihre Einstellung, dass Homosexualität auch etwas Anormales sei, sieht man deutlich an der Röhm Affäre. So versuchte die SPD den politischen Gegner, in diesem Fall die NSDAP, mit dem Vorwurf der Homosexualität zu diskreditieren. So hat der Vorwärts im Artikel vom 04.04.1932 die Homosexualität Röhms (Vorsitzende der SA) angegriffen:
„Festzustellen ist. Röhm der die Jugend von der schwarzen Reichswehr als seine sexuelleLeckerspeise rühmt, kann und darf bei solcher Veranlagung oberster Führer, der ähnlich gearteten Hitlerarmee bleiben. Nicht gegen ihn wird von Erneurern der deutschen Sittlichkeit unternommen, sondern man sucht durch Drohungen…. die Presse einzuschüchtern……“
Aber auch in der KPD war die Haltung zur Homosexualität nicht einstimmig. Die KPD war eindeutig für die Abschaffung des Paragraphen 175 und zum Teil konsequenter in der Forderung als die SPD. Anders als die SPD war die KPD mehr in die Arbeit der Homosexuellen-Organisationen involviert. So war zum Beispiel Felix Halle Mitarbeiter des WhK von Alfred Hirschfeld, aber gleichzeitig auch Funktionär des ZK der KPD.
Aber auch in der KPD gab es die Meinung, dass Homosexualität etwas krankhaftes sei, das man heilen sollte. So stand in einer von der KPD herausgegebenen Broschüre folgendes:
„Abschaffung aller Strafen für sexuelle Verwirrungen, statt dessen Errichtung genügender Heilanstalten“.
Auch in der Röhm Affäre, obwohl im Ton etwas moderater als die SPD, griffen sie dieHomosexualität von Röhm an. So z.B. in der „Flugschrift Nr. 4“ der kommunistischen „Antifaschistischen Aktion“:
„ Herr Röhm mißbraucht die jungen SA Proleten zu unsittlichen homosexuellen Zwecken“.