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Es reicht...

Hinterm Gartenzaun gehts weiterTITEL

(gayBrandenburg-communitieTicker) Katherina Reiche, CDU-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin, zählt definitiv nicht zu den "Wilden 13" der CDU-Bundestagsfraktion. Die hatten sich nach der gescheiterten Abstimmung zu einem entsprechenden Gesetzesentwurf im Nachhinein, für ein Umdenken ihrer Partei beim Thema Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaften im Steuerrecht eingesetzt. Reiche ließ nun via Bild verkünden: "Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften."

Dass die CDU mitten in einem Diskussionsprozess steckt und dass die Reiche-Position so kaum noch zu halten ist, zeigen die letzten CDU-Reaktionen auf das Thema. Die Junge Union im eigenen Wahlkreis Potsdam und die parteieigene Gliederung ­LSU (Lesben und Schwule in der Union) steuert nun mittels eigener Pressemitteilung dagegen. "Das humanistische Weltbild Frau Reiches scheint an ihrem Gartenzaun zu enden.", so der Kreisvorsitzende der Jungen Union Potsdam, Tino Fischer, selbst bekennend homosexuell. Martin ­Och seit Kurzem Vorsitzender des Regionalverbandes Ost der ­LSU, rüffelt Reiche ebenso: "Eingetragene Lebenspartnerschaften als Feind der Gesellschaft zu betrachten ist grundlegend falsch.“

"Es kann auch sein, dass Frau Reiche einfach noch eine Rechnung offen hat und nach blindwütiger Rache dürstet", mutmaßt ­Jirka ­Witschak vom Potsdamer Verein ­Katte e.V. eher ironisch. Der 42-Jährige hatte 2001 anlässlich der Einführung des Lebenspartnerschaftsrechtes zusammen mit Ralph ­Zachrau eine ­Standesamtaktion als Protest gegen die Äußerungen des Landtagsabgeordneten Sven ­Petke (CDU) organisiert.

"Die Standesämter sind für die CDU tabu", so ­Petke damals."Eingetragene Lebenspartnerschaften sind keine Ehe". Es könne nicht sein, dass "im Standesamt um neun Uhr Paul und Paula heiraten und um 9.15 Uhr Horst und Horst. Es sei zweifelhaft, dass dies der Bevölkerung in einem Flächenland wie Brandenburg zu vermitteln wäre." Nur eine Woche nach der Standesamtsaktion drehte Petke, der damals als der Terrier des Innenministers Schönbohm galt, in der ORB-Sendung "Vor Ort" noch einmal richtig auf. Er hielt glühende Plädoyers für die Aufrechterhaltung von Sitte, Anstand und Moral und der alleinigen Beibehaltung des Instituts der treuen, kinderreichen, heterosexuellen Ehe. Dumm nur dass, wenn man im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen sollten. Genüsslich berichteten SPD-Genossinnen aus dem Landtag, die mit den Schwarzen in einer Koalition saßen, über vermehrte Anrufe beim CDU-Landtagsabgeordneten, der Schwierigkeiten hatte eigenes Tun zu erklären. Denn er hatte es mit den selbst gestellten Ansprüchen nicht so genau genommen. Verheiratet zwar führte er noch eine Zweite, bis dahin noch geheime Beziehung mit jener ­Katherina Reiche, die sich heute so vehement für "die Familie als Ort der Werte, Überzeugungen und Normen, die unsere Gesellschaft zusammenhält." einsetzt. "Ohne Familie mit Kindern keine Zukunft für Deutschland. Deshalb tun wir alles, Familien in ihrem täglichen Balance- und Drahtseilakt zu stützen.“

Die Vorsitzende des Bündnis Faires Brandenburg Martina Wilczynski hält nun in der Familienfrage dagegen: Mit der Anerkennung der Vielfalt der Gesellschaft und der gegenseitigen Wertschätzung, dies uns zusammenhält, bewirkt man auch eine Entwicklung, die uns in unserem Miteinander voranbringt. Deshalb setzen wir uns nicht nur dafür ein, das Steuerrecht für homosexuelle Paare gleichzustellen, sondern auch das Adoptionsrecht für nicht-heterosexuelle Lebensgemeinschaften zu öffnen.

Auch die Kanzlerin setzt sich nun auf ihre feinsinnige Art für die Gleichstellung ein. Statt ihre Richtlinienkompetenz als Kanzlerin einzusetzen oder lauthals "Basta" zu rufen, läßt sie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden. Das ist offensichtlich effektiver als zeitintensiver Auseinandersetzung mit Mitgliedern der eigenen Partei vom Schlage Reiche. Das Ergebnis und das Urteil kann man jetzt schon erahnen. Katherina Reiche wird nicht glücklich sein.


Text: Linus
Grafik: gayBrandenburg-Redaktion
unter Verwendung des Archivs amice - Das schwul-lesbische Gedächtnis Brandenburgs www.queeres-netzwerk.de

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