Ron Schulz: Manchmal sind Kopien eben besser

Ron Schulz zum Nachahmer - Vorwurf des Landesverbandes AndersARTiG 

(30. April 2007) Wir sind die Nachahmer. Ich habe es gelesen. In einer Ankündigung zur CSD-Eröffnung nebst Flaggenhissung in Potsdam. Es stand auf den nagelneuen Internet-Seiten des LesBiSchwulen Landesverbandes AndersARTiG: Engagierte Nachahmer. Völlig zu Recht erklärte mir der Artikel, dass nun gerade jener Verein doch ein ganzes Jahrzehnt lang die Regenbogenfahne in Potsdam hochhielt - oder eben vor dem Stadthaus hisste. Alle Jahre wieder. Und das stimmt sogar. Ich war dabei.

Nun meint Nachahmen doch aber etwas kopieren. Ein Plagiat zu schaffen, notfalls unter Verletzung der Urheberschaft. Auf welches gewachsene Recht pocht man da im Landesverband? Schmälere ich etwa den Verdienst der drei heiligen Könige, nur weil ich in der Weihnachtszeit durch die Service-Wüste reite und anschließend überteuerte Geschenke anschleppe?

Ich habe in den letzten Wochen in Potsdam die Gründung eines CSD - Beirates, die Verabschiedung eines gemeinsamen Arbeitsprogrammes, die gemeinsame Vorbereitung zahlreicher Veranstaltungen und deren Umsetzung innerhalb zweier Wochen miterlebt. 20 völlig verschiedene Angebote in 16 Tagen sind nicht nur mal eben das Programm des CSD - Brandenburg 2007, sondern vor allem das herzeigbare Ergebnis einer Vernetzung von etlichen Gruppen, Initiativen, Parteien, Unternehmen und Einzelpersonen im Land und in der Stadt. Die Community hat sich gemeinsam auf den Weg gemacht. Der ist zugegebenermaßen noch nicht breit und eingefahren - aber dafür auch keine mit staatlichen Förderrichtlinien verkehrsberuhigte Stolpersteinstraße.

Der Sommer bringt noch so viel: Die Potsdamer Regenbogenparty geht wieder auf's Boot, die Lausitz bekommt eine eigene Aidshilfe und die Berliner CSD-Parade eine brandenburgische Präsenz. Das wird den jeweiligen Verantwortlichen noch viel Arbeit bereiten. Und der Community ein weiteres Mal Kraft, Ausstrahlung und Identität verleihen. Im Kampf um gleiche Rechte und gesellschaftliche Anerkennung.

Dafür bin ich dann gerne auch Nachahmer. Jemand, der eine Idee aufgreift und aufpoliert, um sie verantwortungsvoll in den Dienst einer sinnvollen Sache zu stellen: "AndersARTiG-Tradition feat.by CSD-Beirat-Brandenburg" wenn man das so neudeutsch will. Wäre schön gewesen. War es aber nicht. Schwerlich vermissen ließ der Landesverband jedwede seiner traditionsreichen Aktivitäten innerhalb der CSD-Wochen. Und ein gemeinsamer Info-Stand auf dem Queensday sollte es dann im letzten Moment möglicherweise noch richten. Der wurde allerdings vom Veranstalter des Potsdamer Tulpenfestes abgelehnt. Dafür entnehme ich nun der Hauspost eine offene Aufforderung der Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange und des Vereins an den CSD-Beirat, diesen Mißstand für das kommende Jahr zu beheben... heißt: sich per Mehrheitsbeschluß über die Regularien des Tulpenfestes hinwegzusetzen? Ein für mein Dafürhalten genauso interessantes wie unüberlegtes Anliegen: Vielleicht geht man mal lieber freundlich beim Veranstalter eventuelle Möglichkeiten für einen gemeinsamen Auftritt der Community im Rahmen seiner Vorstellungen abklopfen. Es soll ja noch weitere Queensdays in Potsdam geben.

Zwei Wochen lang haben wir das Fahne hochhalten nun also nachgeahmt. Haben Schwule und Lesben nach Potsdam gezogen und den Regenbogen durch die Stadt getragen. Nun soll der Landesverband mal wieder machen. Damit die Leute auch in den Genuß des Orginals kommen. Wichtig ist letztlich nur, um mit Herbert Grönemeyer zu sprechen, das sich was dreht. Jetzt ist die Zeit dafür, die Regenbogenfahne hochzuhalten. Und zwar Frohen Mutes bitte... Sonst entpuppt sich die vermeintliche Kopie doch noch als das bessere Orginal.

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