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Queeres Kino//Anwesenheitspflicht

manuel_schubertMeine schwule Film-Sozialisation, das datiert kurioserweise auf das Jahr 2006. Knapp drei Jahre war ich da schon „mit Kino beschäftigt“. Hatte erste Filmkritiken geschrieben, oder es versucht zu tun. War filmsüchtig, jede Woche sechs Filme im Kino. Das wurde mein Sport; Fußball, Sportstudio, Kirchengruppe, Greenpeace – der Mist interessierte mich nicht. Kinofilm - das war meine Religion, das ist es wohl heute auch noch. Doch schwules Kino, lesbisches Kino, queeres Kino, „nicht-heterosexuelles“ Kino, wie auch immer man es bezeichnen will - ich hatte es noch nicht bewußt auf dem Schirm. Ich war offen schwul, vögelte mich durch Berlin, ging in Clubs, trug den Regenbogen an der Jacke, ging zum CSD.


Im Januar 2006 kam „The Graffty Artist“ von James Bolton in die Kinos. Es war ein kleiner Kinostart. Der engagierte Filmverleih „Salzgeber“ brachte den Film, im Rahmen seiner digitalen Verleihplattform „Delicatessen“, heraus. Digitales Kino 2006: Eine handvoll Kinos und einige kleine Digital-Projektoren. Digitales Kino, der Schlüssel zu einer weiteren Verbreitung schwuler Filme, auch in Kinos ohne explizite programmatische Ausrichtung. So erreichte mich James Boltons Film im Babelsberger Thalia Kino. Die Story: Ein junger Sprayer in Portland, der in den Tag hinein lebt, sich ganz seiner Kunst verschrieben hat. Er stößt auf einen anderen Sprayer, verliebt sich in ihn. Doch viel Nähe wird es zwischen den beiden nie geben: Flüchtiger Sex, kurze, unausgesprochene Intimität, die Liebe bleibt unbeantwortet. Am Ende stehen wieder Einsamkeit und das Alleinsein; mit sich und seiner Kunst. Der Film sprach mir aus der Seele. Weckte meinen Hunger auf mehr Filme, Filme die „meine“ Geschichten erzählten.
Schwule_Filmnacht_WebÜber diesen Film schrieb ich eine meiner ersten längeren Kritike. Fundament für das, was heute mein Blog, was der „filmanzeiger“ ist. Über 50 Texte sind seit 2006 entstanden. Auch über queeres Kino, über „meine“ Geschichten. Aber eigentlich geht es um Filme im Allgemeinen, und im Speziellen; Schubladen und Scheuklappen gibt es nicht. Wer im Camp lebt, lebt isoliert. Unzählige Stunden Kino stecken hinter dem „filmanzeiger“, davon ebenso ungezählte Stunden die nach dem Verlassen des Kinosaals nie wieder gewürdigt wurden, die nie in eine Kritik mündeten. Einen Film kritisieren kann jeder. Rezensieren, verstehen, für Leser einordnen – eine Kunst, mit deren Beherrschung ich heute noch jedes Mal aufs neue kämpfe und wohl auch ewig kämpfen werde. Das Kino - es ist meine Schule, eine Schule des Sehens. Blockbuster, Arthouse – Fächer auf dem Stundenplan dieser Schule. Fächer, die man aber ab und zu schwänzt, denn ihre Themen rotieren seit gefühlten Ewigkeiten im Kreis. Steht queeres Kino, oder (um Salzgeber zu zitieren) steht „nicht-heterosexuelles“ Kino im Programm, gilt Anwesenheitspflicht. Zu unberechenbar, zu einzigartig, zu flüchtig ist dieses „nicht-heterosexuelle“ Kino, erst recht in Brandenburg. Auch deswegen veranstaltet der „filmanzeiger“ seit drei Jahren die „Schwule Filmnacht Potsdam“.

Links:
www.filmanzeiger.de
www.salzgeber.de
www.sissymag.de