logo_gaybrandenburg

 

gayBrandenburg Headlinebanner

Mahnwache nach homophobem Übergriff in Berlin

Spontane Protestaktion am U-Bahnhof Hallesches Tor reagiert auf jüngste Gewalttaten /
500 Teilnehmer fordern verstärkte Bekämpfung schwulenfeindlicher Vorurteilskriminalität
 

BERLIN (red) Mehr als 500 Menschen protestierten nach Schätzungen der Polizei am Dienstag abend (04.11.) vor dem U-Bahnhof Hallesches Tor in Berlin-Kreuzberg gegen vorurteilsmotivierte Hassgewalt gegenüber Schwulen und Lesben. Das Berliner Anti-Gewalt-Projekt MANEO hatte kurzfristig zu einer Mahnwache aufgerufen. Zahlreiche Projekte und Politiker, unter ihnen Björn Böhning (SPD) von der Berliner Senatskanzlei und der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), unterstützten den Aufruf. Auch das Onlineportal Gayromeo mobilisierte für die Mahnwache.

Hintergrund waren die jüngsten Übergriffe auf Schwule und Lesben in Berlin, zuletzt die schwere schwulenfeindliche Tat gegen einen 33jährigen, der in einem Zug der U-Bahnlinie 6 am Halleschen Tor von zwei jungen Männern in aller Öffentlichkeit attackiert worden war und dabei einen doppelten Kieferbruch erlitt (gaybrandenburg berichtete / Fotos: B. Mannhöfer www.queer-kopf.de).

„Dieser Vorfall ist nur die Spitze einer Vielzahl von Übergriffen, die jedes Jahr in Berlin stattfinden", so MANEO-Projektleiter Bastian Finke in seiner Ansprache: „Ein junger Mann wird während des CSD auf dem U-Bahnhof Nollendorfplatz angespuckt und als ‚schwule Sau' beleidigt; Drag-Kings werden in Kreuzberg angegriffen; das Homo-Mahnmal wird geschändet; ein schwuler Mann wird im Tiergarten halbtot geschlagen; ein heterosexueller Familienvater wird im Friedrichshain für schwul gehalten und deshalb krankenhausreif geprügelt; zwei Lesben werden in Hellersdorf attackiert - und jetzt erneut ein schwuler Mann, der Zielscheibe von homophober Hassgewalt wurde, weil er einen Freund mit einem Kuss verabschiedete, weil er seine Homosexualität in der Öffentlichkeit nicht verstecken zu müssen glaubte." Damit benennt Finke die traurigen Höhepunkte einer Gewaltserie aus dem Jahr 2008.

Unter dem Motto „Berlin gehört allen - aber nicht den Gewalttätern! Protect Every Kiss - denn Toleranz ist Zukunft für Berlin!" appellierte MANEO auch an die Berliner Senatsverwaltung, endlich die erforderlichen Weichen zu stellen, damit mehr Opfern geholfen werden kann - und um Vorurteilskriminalität gegen die sexuelle Orientierung nachhaltig bekämpfen zu können. Finke: „Es kann nicht sein, dass uns ständig von der Verwaltung erklärt wird, es sei dafür kein Geld da! Den Preis für die Versäumnisse der Politik bezahlen die Betroffenen. Homosexuelle Opfer vorurteilsmotivierter Gewalt dürfen nicht länger als ‚Fortschrittsopfer' einer falschen Politik in Kauf genommen werden."

Gerade staatliche Institutionen sieht Finke hierbei in der Pflicht, diese Gewalt mit Nachdruck zu verurteilen und nicht "...etwa aus falscher Rücksichtnahme gegenüber Lobbygruppen, die Hassgewalt gegen die sexuelle Orientierung nur unter Bedingungen verhandeln wollen, oder Interessengruppen, bspw. Religionsgemeinschaften, die Homosexualität weiterhin als ‚Sünde' erklären - die Augen zu verschließen."

„Ein gemeinsames Engagement gegen homophobe Hassgewalt ist dringend erforderlich. Berlin soll Schaustelle der Toleranz und nicht Schaustelle der Gewalt sein. Es muss klar sein, dass keine Religion oder Weltanschauung ein Deckmantel für Diskriminierung wegen sexueller Orientierung sein darf," ergänzt Böhning. Bezirksbürgermeister Schulz kündigte an, sich stärker gegen homophobe Hassgewalt in Friedrichshain-Kreuzberg engagieren zu wollen.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte bereits im Vorfeld Stellung bezogen: „Taten wie diese empören mich zutiefst. In unserer Gesellschaft sollte Toleranz und Akzeptanz gegenüber allen Mitmenschen eine Selbstverständlichkeit sein. Die Polizei wird gegen solche Taten auch weiterhin konsequent vorgehen und alles in ihrer Macht stehende zur Prävention beitragen." Dass jedoch spontan über 500 Menschen einem Aufruf zu einer solcen Mahnwache folgen und sich mit den Opfern homophober Hassgewalt solidarisieren, dürfte auch von einer wachsenden Unzufriedenheit der schwullesbischen Szenen mit den Berliner Verhältnissen zeugen.

Drucken E-Mail