Das ist Irrsinn!

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Foto: Sascha Krämer

REDE JIRKA WITSCHAK (Katte e. V.) zur Situation schwuler Geflüchteter in Brandenburg am 17.05.2017 anlässlich der Regenbogenflaggenhissung vor dem Landtag Brandenburg

здравствуйте (sdrawstwujtje)
Bonjour Mesdames et Messieurs
Selemat siang
Salem aleikum

Ciao ragazzi

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Sehr geehrte Abgeordnetinnen und Abgeordnete,
Sehr geehrte Gäste!

ich habe sie heute nicht nur deswegen auf russisch, französisch, indonesisch, arabisch und italienisch begrüßt, weil wir heute den Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie begehen, sondern weil wir als Beratungsstelle für homosexuelle Menschen und wir als Ehrenamtliche in den letzten Monaten uns erheblich verändert haben. Wir sind seit langem die einzige Beratungsstelle für Homo- und Transsexuelle im Land Brandenburg welche garantierte Öffnungszeiten und zwar von Montag bis Freitag von 10 - 20 Uhr hat.

Viele Ratsuchende aus aller Welt, die nach Brandenburg gekommen sind, erreichen uns deswegen und erzählen uns wie sie in ihren Heimatländern aufgrund ihrer Sexualität diskriminiert und verfolgt werden. In Russland muss jeder Homosexuelle aufpassen, sich nicht öffentlich zu zeigen, ansonsten drohen Diskriminierung und Gewalt durch Justiz und nationalistische Schläger. In Italien kann es sein, dass der Dorfgeistliche dir eine Homoheilung anbietet und ansonsten für dich die Hölle auf Erden bereitet. In Indonesien machen religiöse Eiferer ein Leben als Lesbe oder Schwuler unmöglich. Im Tschad versucht die örtliche Polizei dir deine Homosexualität mit Schlägen und einer schwarzen Schlange auszutreiben. Wenn jemand einen Asylgrund hat, dann sind es ganz bestimmt schwule, lesbische und transidente Geflüchtete.

Dass diese Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen und Übergangswohnheimen angegriffen werden, weil sie als homo- oder transsexuell erkannt werden, müssen wir als Beratungsstelle bestätigen. Konkret geht es um Bedrohungen mit dem Messer, körperliche Gewalt, Vergewaltigung und massive verbale Bedrohungen. Auch ist es unsere Erfahrung, dass Geflüchtete bei den Interviews sich oft kaum trauen, ihren wahren Asylgrund anzugeben, weil ein Landsmann der Dolmetscher ist.

Was macht der Landtag? Der Sozialausschuss des Landtages beschließt in seinem Bericht und seiner Beschlussempfehlung in der Drucksache 6/5382 "Besonders gefährdete Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften stärker schützen", aufgrund des Antrages von Bündnis 90/Die Grünen, dass zukünftig durch die Kommunen u. a. für LSBTI-Geflüchtete seperate Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Hierfür soll sich die Landesregierung einsetzen. Aha!

Konkret sieht das so aus, dass schwule Geflüchtete ein abschließbares Extra-Zimmer in derselben Unterkunft angeboten bekommen. Oder sie sollen in ein anderes Heim, wo auch keine anderen Bedingungen herrschen. Die beste Lösung von der wir erfahren haben, ist die Verlegung in eine Notunterkunft auf einem Pferdehof in einem Wald. Ich weiß nicht wie sie sich das vorgestellt haben, aber das Verfrachten von schwulen Geflüchteten an einem abgelegenen Ort im selben Landkreis fernab von homosexuellen Selbsthilfestrukturen ist keine Option. Das ist Irrsinn!

Wir fordern nach wie vor eine zentrale Unterkunft für schwule, lesbische und transidente Geflüchtete und zwar in Potsdam! Hier gibt es die notwendigen homo- und transsexuellen Selbsthilfestrukturen, die den Geflüchteten einen emotionalen Halt, Deutschunterricht, und Eingliederungshilfe in den Arbeitsmarkt sowie ein gutes Gesundheitsmanagement bieten, ohne dass sie aufgrund ihrer sexuellen Identität ständig angegriffen werden. Das was wir nicht brauchen ist eine übergestülpte Vernetzungsstelle, sondern die Sicherung von Beratungsangeboten und Begleit- und Hilfestrukturen.

Nun könnten ja die Heulsusen im Parlament wieder aufschreien und meinen, dass für diese Flüchtlinge immer alles getan wird und für die Deutschen nix. Dazu möchte ich ihnen sagen, dass diejenigen, die permanent gegen Minderheiten hetzen und diese beschuldigen am Elend der Welt und speziell im heimischen Wohnzimmer schuld zu sein, gerade dafür sorgen, dass Homophobie und Transphobie wieder fröhliche Urständ feiern. Und ja wir begleiten und beraten auch schwule Jugendliche aus Potsdam, Henningsdorf und Cottbus in die Berufsfindung und -Vorbereitung. Denn Diskriminierung und Mobbing in der Schule oder im täglichen Umfeld machen krank. Chancen auf einen ordentlichen Beruf haben diese Jugendlichen nicht, wenn diese nicht über einen längeren Zeitraum umfassend begleitet werden. Der absolute Rekord, den wir als Beratungsstelle verzeichnen mussten, ist das 11-malige Wechseln der Klasse und Schule, nur weil der Jugendliche aufgrund seiner Homosexualität nicht von den Klassen als Mensch anerkannt wurde.

An dieser Stelle möchte ich etwas tun, was ich nicht geglaubt hätte, in dieser Legislaturperiode, zu machen. Im letzten Jahr erwähnte ich ja, dass wir wenigsten beim LSBTI-Landesaktionsplan die bundesweit Rote Laterne den Bayern überlassen wollen. Ich und der Verein für den ich spreche, möchte Ministerin Golze ausdrücklich dafür danken, dass sie sich seit dieser Zeit, für die äußerst schnelle Einführung eines Landesaktionsplans bis Ende des Jahres einsetzt. Das fordert uns nun wiederum heraus. Diese Herausforderung nehmen wir an!

Wir wollen erreichen, dass dieser Landesaktionsplan keine Makulatur wird, deshalb fordern wir jetzt schon eine klare und durchlässige Beteiligungsstruktur, welche alle interessierten Akteure, wie Selbsthilfegruppen und Vereine zukünftig einbindet. Wir fordern, dass sie uns, bevor der Landesaktionsplan beschlossen wird, in den Ausschüssen anhören, um möglicherweise noch notwendige Änderungen zu ermöglichen.

Und zurück zu den Geflüchteten, kürzlich war ja ein RBB-Bericht über einen dieser schw. Geflüchteten zu sehen. Selbstverständlich haben wir, alle unsere Hilfenetzwerke bemüht, um auch für ihn einen gangbaren Weg zu finden. Das haben wir geschafft. Wir können ihm eine sichere Unterkunft anbieten. Es wäre gut, wenn sie als Abgeordnete den eingangs erwähnten Beschluss noch einmal auf seine Tauglichkeit überprüfen. Noch besser wäre es, wenn es zu diesem Thema, die Landesintegrationsbeauftragte einen Runden Tisch organisiert.

* Zu guter Letzt möchte ich allen denjenigen danken, die in ihren Gemeinden in Brandenburg am heutigen Tag eine Regenbogenflaggenhissung am Rathaus oder der Kreisverwaltung organisiert haben. Das sind mehr Orte als im letzten Jahr. In Königs Wusterhausen, in Seelow, in Rüdersdrorf und in Blankenfelde-Mahlow und in Müncheberg. Danke an den gayStammtisch KW, an Ben Grossmann und Alexander Lehmann.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.

*Diese Textpassage steht im Redemanuskript, allerdings wurde von mir bei der Rede die letzte Seite vergessen. Sorry dafür. (Anm. Jirka Witschak)


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