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Frauenfußball macht nicht lesbisch

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Foto Tanja Walther-Ahrens


Frauenfußball macht nicht lesbisch (Potsdamer Neueste Nachrichten, 30.04.2014)

Die ehemalige Turbine-Spielerin und heutige Autorin Tanja Walther-Ahrens las im Thalia-Kino aus ihrem Buch „Seitenwechsel“. Tennis, Schwimmen, Fußball – in fast jeder Sportart ist Homosexualität noch immer ein Tabuthema. Die ehemalige Fußballerin Tanja Walther-Ahrens, die in den 90er-Jahren auch für Turbine Potsdam gespielt und sich später als lesbisch geoutet hat, hat sich viel mit dem Thema der Diskriminierung von homosexuellen Sportlern auseinandergesetzt und ihre Erfahrungen aufgeschrieben. Am Montagabend las sie zum Abschluss der Potsdamer Christopher-Street-Day-Woche (CSD) im Thalia Kino in Babelsberg aus ihrem Buch „Seitenwechsel“.

 

Darin bemängelte sie die gängigen Klischees über Frauen im Sport. „Viele Eltern lassen ihre Töchter nicht Fußball spielen, weil sie Angst haben, sie würden lesbisch werden. So ein Blödsinn“, so Walther-Ahrens. „Natürlich gibt es viele lesbische Fußballerinnen, aber die sind sie ja nicht durch den Sport lesbisch, sondern weil sie es eben sind.“ Auf die Palme treibe sie auch die Verbindung von Homosexualität und Pädophilie oder die gängigen Klischees, dass schwule Männer unter der Dusche jeden anmachen würden. „Es kann doch nicht sein, dass wir immer nur auf Sex reduziert werden“, sagte sie mit Nachdruck. „Wir wählen schließlich auch aus, führen Beziehungen und haben ein Leben.“

Außerdem beschreibt sie in ihrem Buch, dass Fußball immer noch eine Männerdomäne ist, in der „schwul sein“ nicht in das Rollenbild passt. „Es gibt viel zu wenig homosexuelle Vorbilder im Spitzensport“, sagte sie. „Die meisten outen sich erst nach ihrer Karriere – wenn überhaupt.“ Das trage nicht dazu bei, dass sich an dem klassischen Bild vom starken Fußballmann etwas ändere. „Wir haben erst wirklich etwas erreicht, wenn jeder sich outen kann und die Gesellschaft es nur mit einem gleichgültigen Achselzucken kommentiert“, sagte die ehemalige Spielerin. „Denn erst dann werden wir akzeptiert.“ Deswegen rate sie auch jedem, zu seiner Sexualität zu stehen.

Torsten Siebert vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD), der am Montagabend von der Arbeit des Projektes „Soccer gegen Homophobie“ berichtete, riet allerdings eher, sich erst mal nur einem vertrauten Umfeld anzuvertrauen. „Das ist wichtig, um einen sicheren Rückhalt zu haben“, sagte er. „Dann kann man auch mit Diskriminierungen besser umgehen.“

Überhaupt sei es wichtig, sich Unterstützung zu holen, bestätigte auch Christian Rudolph vom Projekt „Fußballfans gegen Homophobie“. „Wenn der Rückhalt von heterosexuellen Freunden oder Fans da ist, setzt das auch immer ein Zeichen in der Gesellschaft“, sagte er. „Diese kleinen Schritte braucht es, um allgemeine Akzeptanz zu schaffen.

In Potsdam sei die Fußballgemeinschaft daghingehend schon sehr weit. „Nicht überall kann man einen Werbebanner mit dem Slogan ’Nur die Liebe zählt’ in der Fankurve sehen“, so Siebert. „Die Babelsberger Fans haben da eine echte Vorbildfunktion.“

von Sarah Kugler, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Potsdamer neuesten Nachrichten und der Autorin

 


 

Lesung mit Tanja Walther-Ahrens und anschließender Podiumsdiskussion
In Zusammenarbeit mit dem Fanbeirat des SV Babelsberg 03 und dem Verein Fußballfans gegen Homophobie e.V. sowie dem lesben- und Schwulenverband Deutschland e.V. In dieser Lesung stellt Tanja Walther-Ahrens ihr Buch vor. In diesem Buch werden Sie auf 180 Seiten über etwas lesen, was es gar nicht gibt: Homosexuelle im Fußball. Mario Basler, ehemaliger Deutscher Nationalspieler, antwortet 2008 in einer Dokumentation des Deutschen Sport Fernsehens auf die Frage nach schwulen Fußballern: »Gibt es nicht, sag ich nix dazu. Gibt es nicht. Es gibt keine schwulen Fußballer.« Und auch der Präsident des französischen Fußballverbandes, Jean Pierre Escalettes, meint in einem Ende 2009 veröffentlichten Film: »Die Französische Charta gegen Homophobie im Fußball lenkt die Aufmerksamkeit auf etwas, das zum Glück nicht verbreitet ist.« Es gibt also keine Homosexuellen im Fußball, zumindest nicht im Männerfußball. Frauenfußball kann eigentlich nur von lesbischen Frauen gespielt werden. Es ist schließlich eine Männersportart und Lesben sind bekanntlich Mannweiber. So weit, so gut.

Ich spiele seit ungefähr 35 Jahren Fußball: Angefangen im kleinen Dorfverein in Hessen; in den Landesauswahlteams von Berlin, Brandenburg und Hessen; im amerikanischen Spitzensport eines Colleges; im deutschen Leistungssport bei Turbine Potsdam; in der Berliner Landesliga in einem Frauen/Lesbensportverein. Durch das Studium der Sportwissenschaften und das Sporttreiben in Ligen und Verbänden kenne ich Sport einerseits von seiner vorwiegend heterosexuellen Seite. Andererseits ist er mir durch lesbisch-schwule Sportvereine und -veranstaltungen auch von seiner vorwiegend homosexuellen Seite her bekannt. Erstaunlich, dass in all diesen Jahren die Vorurteile, Klischees und Intoleranzen gleich geblieben sind.
[...] Der traditionelle Sport verändert sich nur langsam. Unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen, wie etwa die Emanzipationsbestrebungen der Frauen, die Entstehung einer Lesben- und Schwulenbewegung und die Wandlung von der Leibeserziehung hin zum Freizeitsport, zeigen auch hier Wirkung – allerdings zeitverzögert.

Dieses Buch soll Anstoß liefern zum Überdenken althergebrachter Ideen und Ideale und damit verknüpfter Mechanismen von Ausgrenzung und Diskriminierung im Sport, ganz besonders in der schönsten Nebensache der Welt – dem Fußball.Dabei besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit, obwoh ich versucht habe, möglichst viele Aspekte, Gedanken und Sichtweisen einzubringen. Auch ist dieses Werk keine abschließende wissenschaftliche Abhandlung. Dieses Buch soll Anregen zu einem Perspektivwechsel. Viele in der Community glauben schließlich Sport sei Mord und Sportkleidung nur für Fetisch-Veranstaltungen gemacht. Und Heterosexuelle sind immer wieder schwer davon zu überzeugen, dass der Handtaschenweitwurf und Partyhopping nicht die einzigen Sportarten der Homosexuellen sind.

Es würde mich freuen, wenn das vorliegende Werk Offiziellen und TrainerInnen im Sport eine Idee davon vermitteln kann, wie viel mehr Leistung ihre AthletInnen erbringen könnten, wenn sie in ihrem ganzen Sein wahrgenommen werden und wenn auch die Community wieder einmal über ihren eigenen Tellerrand schaut und sich von etwas begeistern lässt, woran sie in ihrer Jugend durch den Schulsport vielleicht die Lust verloren hat. Alle anderen erfahren hoffentlich interessante Neuigkeiten, lassen sich verblüffen, berühren und aufwecken und vielleicht das eine oder andere Mal zu einem Schmunzeln animieren. Am besten dann, wenn Sie sich selbst dabei erwischen, wie Sie eine Schublade Vorurteile aufmachen.
Egal auf welcher Seite Sie gerade stehen, lassen Sie sich ein auf einen Seitenwechsel, kommen Sie mit ans andere Ufer.

28.04.2014 | 19:30 Uhr
Thalia-Arthouse,  Rudolf - Breitscheid - Straße 50, 14482 Potsdam

Die Veranstaltung fand im Rahmen des CSD Potsdam 2014 statt.


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 Das Projekt wurde mit Mitteln aus der Lottokonzessionsabgabe des Ministerums für Arbeit, Soziales, Familie und Frauen gefördert. Das Projekt wurde vom Bündnis Faires Brandenburg e.V. begleitet.

 

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