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Kontroverse Debatten um Milieustudie"Diskriminierung im Alltag"

(Gaybrandenburg - communityTicker) Der Abschlußbericht zum Forschungsprojekt „Diskriminierung im Alltag. Wahrnehmung von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik in unserer Gesellschaft" der Sinus Sociovision im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Heidelberg Juli 2008) ist am 2. April 2009 in Berlin vorgestellt worden. Er kann über die ADS bezogen werden und führt nun zu kontroversen Debatten in der Comunity.

Zur Vorstellung erklären Volker Beck, Erster parlamentarischer Geschäftsführer und Irmingard Schewe-Gerigk, Parlamentarische Geschäftsführerin und frauenpolitische Sprecherin der Grünen: "Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus. Laut der heute veröffentlichten Sinus-Milieustudie kennen nur 34 Prozent der Befragten das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es grassieren demnach sehr viele falsche Vorstellungen über die reale Situation bei Diskriminierungen in Deutschland ebenso wie über die bestehende Gesetzeslage."

"Wenn diese repräsentative Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, daß 61 % der Befragten sich überhaupt nicht mit dem Thema Homosexualität auseinandersetzen möchten und 27 % der Überzeugung sind, daß weniger, und sogar 43 %, daß überhaupt nichts für Homosexuelle getan werden müsse, so zeigt dieses, daß noch sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muß", so der Bundesvorsitzende der LSU Reinhard Thole.
Im Gegensatz dazu schlussfolgert der Völklinger Kreis "Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung soll von den Unternehmen und öffentlichen Arbeitgebern ausgehen und nicht allein gesetzlich geregelt werden, denn 68% Prozent der Befragten sehen Gleichbehandlung in der Wirtschaft als einen Wettbewerbsvorteil im globalisierten Umfeld."

Während die Grünen die Meinung vertreten: "Zu den gesetzlichen Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle gehören ausdrücklich die Öffentlichkeitsarbeit über das Problem Diskriminierung und Aufklärung über die gesetzlichen Regelungen. Davon war bislang in der Öffentlichkeit wenig zu sehen. Die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat sich vielmehr absolut leisetreterisch verhalten. Sie hätte lieber den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern suchen sollen, als Hinterzimmerbündnisse mit der Wirtschaft anzustreben. Die Studie sollte Anlass zu einem deutlich Kurswechsel in der Politik der Antidiskriminierungsstelle sein. Die Antidiskriminierungsstelle muss Anwältin der von Diskriminierung Betroffenen und Bedrohten sein, anstatt selbst Vorurteile gegen Antidiskriminierungsgesetzgebung nachzubeten.
Positiv immerhin: Es gibt eine deutliche Mehrheit für Gleichberechtigung, insbesondere auch für die Gleichstellung von Frau und Mann. Es gäbe also viel zu tun, wenn sich die Antidiskriminierungsstelle endlich ihrer eigentlichen Aufgaben annehmen würde."

vertritt der Vöklinger Kreis die Meinung: " Die Studie zeigt aber auch, dass in bestimmten Gesellschaftsschichten weiterhin ein Klima von homosexuellenfeindlicher Einstellung herrscht.

Gerade in den traditionell orientierten Gesellschaftsschichten und der so genannten „Bürgerlichen Mitte" geben mehr als 60% an, dass sie mit Homosexualität am liebsten gar nichts zu tun hätten.

Bernd Schachtsiek, Vorsitzender des Völklinger Kreis e.V. - Bundesverband schwuler Führungskräfte: „Dieses Ergebnis zeigt, dass noch mehr zur Gleichstellung und dem Schutz vor Diskriminierung getan werden muss. Gerade am Arbeitsplatz muss die Gleichbehandlung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender gelebt werden. Wir fordern daher die Wirtschaft auf, entsprechende Programme zur Förderung von Vielfalt in den Unternehmen zu etablieren."

Die Resultate der Studie werden gestützt durch den am 31. März veröffentlichten Bericht der EU-Grundrechteagentur zur „Bekämpfung von Diskriminierung, Belästigung und Gewalt gegenüber Lesben und Schwulen in der EU". Die Agentur hat festgestellt, dass Schwule und Lesben europaweit auch in der Arbeitswelt Opfer von offener oder verdeckter Diskriminierung werden.

Der Bericht zeigt aber auch auf, dass in Unternehmen, in denen ein offener Umgang mit Homosexualität herrscht, bei Schwulen und Lesben Arbeitspotentiale freigesetzt werden, die ansonsten in das Verstecken der eigenen sexuellen Identität investiert würden."

Der Bundesvorsitzende der LSU,Reinhard Thole, erklärte dazu weiterhin:

"Homosexuellenfeindliche Einstellungen (Homophobie) zeigen sich laut der Studie schwerpunktmäßig im traditionellen Segment der Gesellschaft, also bei den Konservativen, den Traditionsverwurzelten, aber auch bei der bürgerlichen Mitte und der sogenannten modernen Unterschicht.

Thole sieht insbesondere in den Milieus der bürgerlichen Mitte, der Traditions-verwurzelten und der Konservativen eine Hauptaufgabe für die weitere Aufklärungsarbeit durch die LSU, um Toleranz und Akzeptanz zu fördern. "Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie sind. Das Verhalten von sogenannten „linken Gutmenschen", die gleich den Antidiskriminierungshammer zücken und den moralischen Zeigefinger heben ist kontraproduktiv. Da machen die Leute gleich zu und fühlen sich in ihren Ängsten und Vorurteilen nur noch bestätigt", kritisiert der LSU-Bundesvorsitzende.

Viele Menschen im traditionellen Segment der Gesellschaft fühlen sich in die Defensive gedrängt und subjektiv benachteiligt, bedroht oder betrogen. Daß sich diese Empfindungen objektiv nicht belegen lassen, spielt dabei keine Rolle. Es zeugt aber davon, daß man die Menschen nicht mitgenommen, sie überfordert und ihnen nicht die Zusammenhänge erklärt hat.

„Wir als LSU plädieren für ein selbstbewußtes, aber nicht selbstgerechtes Auftreten in bürgerlich-konservativen Milieus wie beispielsweise in den Kirchen, der Bundeswehr, Wirtschaftsverbänden und Handwerksinnungen, Studenten-verbindungen, Schützenvereinen und Schrebergärten. Wir dürfen uns nicht mehr verstecken, sondern müssen uns offen und zugänglich zeigen. Wir lassen uns nicht mehr nur in die Privatsphäre entsorgen. Sexuelle Identität ist grundsätzlich ebenso wie Religion eine öffentliche Sache", konstatiert Thole.

Thole zeigt sich überzeugt, daß nur über den Weg der Öffentlichkeit das Thema "sexuelle Identität" bzw. Homosexualität die unterstellte Anrüchigkeit in Teilen der Gesellschaft verliert. "Was mich aber zutiefst bestürzt und wütend macht und wo ich dringenden Handlungsbedarf sehe, ist die geschürte Assoziation von Homosexualität mit Pädophilie und Kinderprostitution - das geht gar nicht!", unterstreicht Thole.

So richtig die Aussage ist, daß sich Antidiskriminierung letztlich nicht von der Politik "per ordre de Mufti" verordnen läßt, sondern von den Menschen selbst aus sich herauskommen muß, so wichtig und unerläßlich ist es aber auch, daß der Staat einen gewissen Rahmen vorgibt und Benachteiligungen durch Förderungen (positive Diskriminierung) versucht auszugleichen. „Daher setzt sich die LSU auch weiter für eine rechtliche Anpassung bzw. Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe ein. Wie wichtig solche Regelungen sind, hat erst unlängst die Reform des Opferentschädigungsgesetzes gezeigt, indem der Schutzbereich jetzt auch auf Lebenspartner ausgeweitet worden ist. Benachteiligungen gibt es allerdings nach wie vor z. B. im Einkommensteuerrecht und im Adoptionsrecht.", so Thole.

"Letztlich muß aber auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stärker ihre Rolle als Ombudsmann verstehen und professioneller kommunizieren. Wenn mehr als 3/4 der Befragten die Existenz der ADS gar nicht bekannt ist, muß die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit konsequent und nachhaltig ausgebaut werden, um die breite Öffentlichkeit zu sensibilisieren" so Reinhard Thole zum Schluss seiner Erklärung.

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